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Der WOCHE Reporter

   

Als ich den Schafen das Fürchten lehrte...

Für fünf Tage Jilleroo auf einer Farm in der Nähe von Tamworth


   Sydney Was ist eigentlich eine Jilleroo? Und wie wird man überhaupt so ein australisches Cowgirl? Um endlich Antworten auf meine Fragen zu bekommen, machte ich mich zum „Country Music Capital“ Tamworth auf und besuchte einen Jilleroo/Jackeroo-Kurs.

In nur fünf Tagen sollte ich zur Jilleroo werden und das Programm versprach einiges: Reitenlernen, Schafescheren, Lassowerfen üben und vieles mehr. Voller Vorfreude und Tatendrang kam ich auf der Farm in der Nähe von Tamworth an. Wir waren zehn Backpacker, 90 Prozent davon waren weiblich. Den angehenden Jackeroo schien das aber nicht im Geringsten zu stören.

Zuerst haben wir unser Lager bezogen und uns anschließend mit den ,,WWOOF“ern (Willing Workers on Organic Farms) bekannt gemacht. Diese jungen Backpacker waren die helfenden Hände auf der Farm, haben uns verköstigt und uns alles wichtige gezeigt und beigebracht.

Zuerst haben wir uns mit den Pferden vertraut gemacht, die wir die nächsten Tage reiten sollten. Als blutige Anfängerin und kleine Person habe ich ein passendes Pferd – wahrscheinlich handelte es sich auch eher um ein Pony – zugewiesen bekommen. Sein Name kam nicht von ungefähr: Tiny (winzig). Kaum größer als ich, aber sehr genügsam und perfekt für jeden Neuling.

Bevor wir aber in den Sattel gestiegen sind, wurde uns erst einmal erklärt, wie man dem Pferd das Zaumzeug anlegt, wie man es striegelt und was man dabei beachten muss, wenn man den Sattel festschnallt. Als die Pferde endlich bereit zum Ritt waren, stand die nächste Aufgabe vor mir: Wie komme ich auf das Pferd? Zum Glück hieß mein Pferd ja nicht Colossus (Riese). Wenn man an einem Abhang steht, dann sollte man sich immer so hinstellen, dass man höher als das Pferd steht und dementsprechend die Höhe des Aufstiegs verkürzt ist.

,,Wann geht es denn jetzt endlich los“, habe ich mich gefragt. Aber vielleicht wäre es besser, wenn man vorher ein paar Kommandos und Regeln kennen würde. So wurde uns erst mal erklärt, wie man richtig auf einem Pferd sitzt, was man tun muss, damit das Pferd anhält, rückwärts geht oder sich dreht.
Und dann ging es endlich los. Noch ein bisschen unsicher im Sattel habe ich meinen ersten Ritt, erst mal nur Schritt, genossen, war aber auch froh, als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Nach dem Absatteln und striegeln wurde gegessen. Die „helfenden Hände“ haben uns jeden Abend sehr gut bekocht und wir haben am Lagerfeuer den Abend bei Spielchen und Gesprächen ausklingen lassen.

Am nächsten Morgen wurden wir um sechs Uhr in der Frühe mit Musik geweckt, als der Porridge über dem Lagerfeuer fertig gekocht war. Mit einer Schüssel Porridge oder einem Sandwich in der Hand, standen wir um das Feuer herum und haben zwischen den leichten Nebelschwaben über den Feldern unsere ersten Kängurus gesehen. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man diese Tiere, die man sonst nur aus Büchern oder dem Fernseher kennt, auf einmal vor sich sieht.

Die nächsten Vormittage liefen gleich ab. Gestärkt ging es auf die Koppel, wo wir „unser“ Pferd gesucht haben. Nach dem Anlegen des Zaunzeuges – wozu haben wir das schließlich am Vortag gelernt! – haben wir die Pferde fürs Satteln zum Schuppen geführt und schon mal mit dem Striegeln begonnen.

Die Tagesaktivitäten waren dann von Tag zu Tag verschieden. An einem Tag haben wir bei dem Aufbau eines Zaunes geholfen und Sträucher mit Pestiziden besprüht. An anderen Tagen haben wir längere Ausritte unternommen und Kuhherden zusammen getrieben. Uns wurde gezeigt, wie die Pferde trainiert werden, wie man dem Pferd einen neuen Schuh anzieht und wie man eine Peitsche schwingt.

Als wir nach langem Üben auch endlich den Lassoschwung beherrschten, ging es zur Demonstration auf die Weide zu den Kälbern. Die Kälber waren eingezäunt und wurden einzeln durch einen „Gang“ getrieben. Unsere Übung wurde dann zum Wettkampf. Jeder musste versuchen, ein Kalb mit dem Lasso einzufangen. Wer es nicht schaffte, war ausgeschieden. Bei solchen Wettkämpfen entwickle ich schon einen gewissen Ehrgeiz und möchte natürlich nicht als erste ausscheiden. Darum war ich schon ein bisschen nervös. Ich muss aber zuvor gut geübt haben, denn ich habe den zweiten Platz errungen.

Danach haben wir die Kälber aber noch nicht in Frieden gelassen. In Zweiergruppen sollten wir uns zusammenschließen und ein Kälbchen „erledigen“. Jedem Paar wurde eines zugewiesen. Nacheinander sollten wir „unser“ Kälbchen einfangen und mit gekonnten Griffen so umlegen, dass es nachher auf der Seite vor uns lag. Dabei mussten wir sehr vorsichtig sein, um das Kalb nicht zu verletzen, denn verletzte Kälber mussten erschossen werden. Was man sich so einfach vorstellt, ist in Wirklichkeit ganz schön schwer. Und so hat es auch seine Zeit gedauert, bis uns unser Kalb zu Füßen lag.
An einem anderen Tag haben wir uns mit den Schafen beschäftigt. In dem umzäunten Areal der Schafe sollten wir uns eines fangen.

Woher kommt eigentlich der Ausdruck „dummes Schaf“? So dumm waren die Schafe nämlich nicht. Ich habe meine Hände in die zehn Zentimeter dicke Wolle gekrallt und das Schaf zwischen meinen Beinen eingeklemmt, aber das gar nicht so dumme Schaf wollte nicht stehen bleiben. Es war sehr schwer den Mittelpunkt des Schafes zu finden. Stand man zu weit vorne, so ist das Schaf nach hinten entwischt. Stand man zu weit hinten, ist es natürlich nach vorne entkommen.

Nach einer kleinen Rangelei konnte ich mich dann doch behaupten und das Schaf gab endlich Ruhe. Uns wurde gesagt, dass man anhand der Anzahl der Zähne sagen kann, wie alt das Schaf ist. Und so haben wir uns in die Tiefen eines Schafsmauls vorgewagt und gehofft, dass uns nachher kein Finger fehlt.

Die wohl schönste und interessanteste Erfahrung war aber das Scheren der Schafe. Da unser Farmbesitzer keine Schermaschinen hatte, sind wir auf die Nachbarfarm gefahren, die seinem Vater gehörte. Mit zwei Schafen haben wir uns auf den Weg gemacht. Ich hatte Angst, das Schaf zu verletzen und wusste nicht genau, wie ich die Maschine ansetzen sollte. Doch der Farmer hat mir dabei geholfen und so habe ich das Schaf um einige Kilo Wolle erleichtert und konnte eine Erfahrung mehr verzeichnen.

Am letzten Tag fand noch ein kleiner Wettkampf zu Pferde statt. Mir war schon ein bisschen mulmig, da wir Slalom reiten und schnell sein mussten. Einer der Helfer hat mir ein Stöckchen gegeben, weil mein Pferd nicht so schnell wollte wie es sollte. Und so hab ich es voran getrieben. Am Schluss haben es mein Tiny und ich dann doch recht gut gemeistert.

So wurde ich also zur Jilleroo. Es war eine tolle Erfahrung und ich habe viel gelernt. Mit meinem Zertifikat in der Hand, habe ich mich dann nach ein paar ereignisreichen Tagen wieder in Richtung Zivilisation aufgemacht.

Kristina Kring



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