Auf Achse mit Anja
Pfingstler-Lee und Familie
Mit Kind und
Wohnwagen rund um Australien
Melbourne - „Schaffe, schaffe, Häusle baue“
– dieses Lebensmotto wird im schönen Schwabenland so manchem Kind
mit in die Wiege gelegt. Anja Pfingstler-Lee – gebürtige Schwäbin –
hat sich nie daran gehalten.
Ein Leben lang hat die ausgebildete Kindergärtnerin (trotz viel Spaß
am Beruf) in erster Linie gearbeitet, um zu leben und statt „Häusle
baue“ war ihr Motto „d` Welt anschaue“. Ein Motto, das die
41-Jährige letztendlich auch nach Australien verschlug, denn beim
Weltanschauen lernte sie in Indien ihren australischen Mann Paddy
kennen und ließ sich mit ihm vor knapp sechs Jahren im schönen
Melbourner Stadtteil Williamstown nieder, wo sich bald Josephine (5)
und Frederik (3) zur Familie gesellten.
Vor sechs Monaten ließ Anja (und der Rest der Pfingstler-Lee
Familie) wieder mal Häusle Häusle sein, verfrachtete den Hausstand
in ein Möbellager und Lieblingsspielzeug, ein paar Kleider und viele
Bücher in einen Wohnwagen und los ging die Reise: einmal um
Australien herum.
Vergangenen Monat endete die sechsmonatige Australien
- Erfahrung des Vierergespanns in Sydney.
WOCHE - Mitarbeiter Nadja Mack hat sich mit der reisefreudigen
Schwäbin unterhalten:
Die WOCHE: Sechs
Monate auf Achse – was haben Sie dabei am meisten vermisst? Was ganz und
gar nicht?
Anja Pfinglster-Lee: Meine Badewanne. Auf die freute ich mich
unheimlich. Aber Dank unserer Route, die uns am Schluss durch das NSW/QLD
Outback führte, kamen wir auf dem Matilda Highway an vielen Stellen
vorbei wo es „hot pools“ gab, heißes Wasser, das direkt aus dem einen
Kilometer tief liegenden Artisean Basin hoch gepumpt wird und sich in
wunderschöne heiße Badebecken aller Art ergießt.
Darin zu liegen ist fast wie in einer Badewanne. Ob ganz allein wie in
Nardoo Station den Sternenhimmel bewundernd oder mit den Einheimischen
in Lightning Ridge ein Schwätzchen haltend während man sich entspannt.
Wunderbar. Was ich gar nicht vermisste war mein Fernseher, obwohl unser
Wohnwagen damit ausgestattet war. Doch von Woche zu Woche war er weniger
in Gebrauch und die letzten Monate im Outback saßen wir lieber die
Abende ums Lagerfeuer mit einer Teetasse in der Hand und haben uns mit
anderen Reisenden ausgetauscht, Buschpoeten gelauscht oder den
unglaublichen Sternenhimmel bewundert, über den meine Kinder jetzt auch
unglaublich viel wissen, denn alles was wir taten, war für sie ein
wunderbares Lernerlebnis.
Meine Tochter sollte eigentlich Anfang dieses Jahres eingeschult werden,
aber selbst die Lehrer an ihrer Schule haben uns mit guten Wünschen,
einem kleinen Homeschooling Programm und mit den Worten „She will learn
more travelling around Australia than sitting in a classroom“ auf den
Weg geschickt. So hat meine Tochter auf der Reise schreiben gelernt,
durch das Schreiben von Briefen an die Oma und Postkarten und Emails an
ihre kleinen Freunde.
Die WOCHE:
Was wird Ihnen von den sechs Monaten auf alle Fälle in Erinnerung
bleiben, was haben Sie schon längst verdrängt?
Anja Pfinglster-Lee: Es gibt so viele unglaublich schöne
Momente, die wir als Familie erlebt haben.
Zum Beispiel saßen wir gemeinsam auf den höchsten, schneeweißen
Sanddünen in Westaustralien und versuchten, mit dem Boogie Board auf
Bauch und Po hinunter zu rutschen, wir waren am Ningaloo Riff
Schnorcheln und haben unterwegs die vielen kleinen Büchereien besucht.
Wir haben so viel erfahren, beispielsweise über die Rettung der Bilbys,
der Numbats oder der Delfine und über das Problem mit den Riesenkröten.
Das hat ganz besonders die Kinder fasziniert. Wir alle haben viel
gelernt und eine Vielfalt von Menschen kennen gelernt, die von unserem
Leben so weit entfernt sind, wie wir von ihrem.
Mein Mann hat sich zum Beispiel mit einem Bullrider
am Rodeo unterhalten, mein Sohn möchte nach unseren Abenteuern
Kanufahrer werden, meine Tochter möchte am liebsten ein Pony auf unserer
Veranda parken und ich habe festgestellt, wie wunderschön und voller
Abenteuer meine neue Heimat ist. Verdrängt hatten wir am Schluss nur
unseren Ankunftstermin in Sydney, wo die Reise enden sollte. Meine
Tochter fragte dann auch, ob wir nicht noch ein zweites Mal um
Australien fahren könnten.
Die WOCHE:
War eigentlich die Spätzlepresse auch mit
dabei?
Anja Pfinglster-Lee: Nein, aber meine
Grill-Rezept-Sammlung konnte ich endlich von vorne bis hinten
durchprobieren.
Die WOCHE:
Stichwort „Benzinpreise“ – die gingen in den vergangenen Monaten ja
stetig in die Höhe. Hat das ihr Budget oder ihre Fahrlust nicht gewaltig
beeinflusst?
Anja Pfinglster-Lee: Mein Mann ist Logistik Manager und könnte
ohne Budget gar nicht starten. Dank des Budgets sind wir dann auch gut
mit den Preisen zurecht gekommen, haben in den ersten drei Monaten sogar
sehr unter unserem Budget gelebt, aber die Benzinpreise und die langen
Strecken im Norden und im Outback haben uns oft in schwindelerregende
Kosten-Höhen getragen.
Aber ist man erst einmal angekommen, braucht man
nicht mehr viel und da wir im Auto einen eingebauten Gastank haben,
spart das viel Geld, wenn der Wohnwagen erst einmal abgehängt ist. Aber
es ist schon wahr. Die Benzinpreise können im Outback mehr als 40 Cent
höher liegen, als zur gleichen Zeit in Sydney. Das wurmt dann schon. Da
ist es gut, wenn man sich dann mit anderen Fahrern austauschen kann, um
zu erfahren, wo man am günstigsten tanken kann.
Die WOCHE:
Pleiten, Pech und Pannen – gab es die auch?
Anja Pfinglster-Lee: Klar gab es die auch. Wir mussten einmal das
Krankenhaus in Broome kennen lernen.
Auf einem unserer Zeltausflüge ohne Wohnwagen in den
Kimberlys musste ich nämlich spät abends – nachdem wir schon mehrere
Stunden von Broome entfernt waren - meinem Mann über die dunklen
Pistenstraßen und zahlreiche Wasserlöcher wieder zurück nach Broome
fahren. Er hatte eine akute Mittelohrentzündung und litt unter jedem
Schlagloch, sein Gesicht war halb geschwollen und er konnte nichts
hören. Umso dankbarer war er, als wir nach drei Stunden Rüttelfahrt vor
der Notaufnahme zum Stillstand kamen. Das hat unseren Aufenthalt
in Broome um zehn Tage verlängert.
Die WOCHE:
Wo hat es Ihnen ganz besonders gut gefallen?
Anja Pfinglster-Lee: Für meinen Mann war das der Matilda Highway
von Winton nach Bourke. Jeder Australier wird dort ganz heimwehkrank und
die ganze Familie singt garantiert am Schluss Walzing Matilda.
Für meine Tochter war es das Nigaloo Riff. Da würde
sie gerne hinziehen. Mein Sohn würde am liebsten in den riesigen Karri
Bäumen des Südens Wurzeln schlagen und nur noch Kanu fahren. Und ich
würde weiter die Kimberleys bereisen, jeden Boabbaum bestaunen und auch
freudig jede Schlucht im Karijini National Park durchwandern.
Ein Ort, der uns alle gleichermaßen faszinierte war
das Daily Water Rodeo und auch der Rodeobesuch im Outback gehört zu
unseren schönsten Erinnerungen.
Die WOCHE:
Haben Sie einen Tipp für Leute, die eine Australienreise planen?
Anja Pfinglster-Lee: Sich genau zu überlegen, wo ihre
Schwerpunkte liegen. Wohnmobile sind bequem, aber ohne Vierradantrieb
nicht sehr gut für Ausflüge zu entlegenen Orten geeignet.
Einen Wohnwagen hingegen kann man einfach parken und
wie wir im Notfall mit dem Zelt und 4WD auf Abenteuerreise gehen.
Ein Bushcamper braucht Zeit zum Aufbauen und mit
kleinen Kindern fand ich das nicht so geeignet. Uns war wichtig, dass
die Kinder ihre eigenen fest installierten Betten im Wohnwagen hatten
und so ihren eigenen Bereich. In unserem Wohnwagen gab es sogar eine Tür
vor dem Kinderstockbett.
Was auch immer man wählt, es muss einem gefallen.
Australien ist voller Überraschungen und einfach ein Traum. Deshalb kann
ich mich nur Ernie Dingo anschließen: „GO and see Australia!“.
Nadja
Mack
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